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Freitag, 13. April 2012

Besuch in einer anderen Welt – Ein Ausflug in die Steinzeit

Zurück in die Steinzeit ging es bei unserem Besuch entlegener Dörfer auf der Insel Sumba. Unser fünftägiger Besuch war keine touristische Unternehmung, sondern das Kennenlernen der bitteren Lebenswirklichkeit der Menschen in den traditionellen Dörfern.

Sumba (südlich von Sumbawa, Komodo und Flores) gehört zu den ärmsten Regionen Indonesiens. Es liegt etwa 50 Flugminuten in östlicher Richtung von Bali und gehört zu den Kleinen Sunda-Inseln in der indonesischen Provinz Nusa Tenggara Timur.

Nicht nur geographisch liegt es im Abseits, sondern auch wirtschaftlich und kulturell. Der Boden in Sumba besteht überwiegend aus porösem Kalkstein (Karst). Dort, wo die Humusschicht zu dünn ist, versickert das Wasser sofort. Das heißt, dass das, was angebaut wird, oft während der langen Trockenzeit auf den Feldern verdorrt oder von Ungeziefer und Heuschrecken noch vor der Ernte vernichtet wird. Wassermangel und Hungersnöte sind die Folge.



Sanfte Hügel-Landschaft in West-Sumba
In den Dörfern und um sie herum findet man Megalithgräber
Obwohl 65 % der Bevölkerung Christen sind, spielt der traditionelle Marapu-Glaube immer noch eine große Rolle. Dazu gehört auch der jahrhundertealte Ahnenkult. Die Menschen glauben an die ständige Anwesenheit der Seelen ihrer Vorfahren. Um die Unterstützung der Verstorbenen zu erbitten, werden zu Hochzeiten, Beerdigungen und anderen kulturellen Anlässen eine Vielzahl von Büffeln, Pferden und Schweinen auf bestialische Art und Weise geschlachtet. Je mehr Blut fließt, desto besser!  Die verstorbenen Menschen werden bis heute in sogenannten Megalithgräbern beigesetzt, die man mitten in den Dörfern und um die Dörfer herum findet. Auch in West- und Nordeuropa kennen wir solche Megalithgräber, nur stammen sie alle aus der späten Jungsteinzeit bzw. frühen Bronzezeit. Was diese Vorstellungen und Verhaltensweisen betrifft, befinden wir uns auf Sumba mitten in der Steinzeit – wie gesagt, in den traditionellen Dörfern, die ohne Strom und Wasserquelle abseits der Zivilisation liegen. Wassermangel, mangelnde Hygiene, Hunger, einseitige Ernährung und mangelhafte Schulbildung bestimmen das Leben der Menschen.

Warum ausgerechnet Sumba?

Schon gleich zu Beginn meines Aufenthaltes hier in Indonesien lernte ich im Oktober 2010 Christiane P. kennen, mit der mich inzwischen eine herzliche Freundschaft verbindet. Sie lebt schon seit einigen Jahren in Indonesien und erzählte mir viel von dem Frauenprojekt, das sie auf Sumba gemeinsam mit indonesischen Schwestern des katholischen Ordens „Schwestern der Liebe vom Kostbaren Blut“ (ADM) aufgebaut hat und betreut. In Deutschland unterhält sie Kontakte zum Frauenmissionswerk (PMF) im Bistum Münster. Bei den regelmäßigen Aufenthalten in ihrer Heimatstadt Lüdinghausen informiert sie Frauengruppen in der Region über den Fortschritt des Frauenprojekts auf Sumba und wirbt dabei Spendengelder ein, mit denen sie den Bau des neu gegründeten Frauenzentrums in Tambolaka finanziert.

Nach Tambolaka geht also die fünftägige Reise, gemeinsam mit Elke S., der Frau des Evangelischen Pastors der Deutschsprachigen Gemeinde in Jakarta. Christiane P. holt uns vom Flughafen Tambolaka im Westen Sumbas ab. Nun ist unser Reise-Trio für die folgenden fünf Tage (16.-21. März 2012) komplett.

Wir sind im neuen Frauenzentrum in Tambolaka untergebracht, das im Oktober 2010 eingeweiht wurde. Äußerlich passt sich die eigenwillige Dachkonstruktion der typisch sumbanesisch-traditionellen Bauweise an, doch das Innere des Gebäudes ist mit zwei Lichthöfen sehr hell und modern, aber schlicht gehalten.

Das neue Frauenzentrum in Tambolaka
Sr. Udis zeigt uns Erdnusspflanzen
Wir werden von Sr. Udis begrüßt, einer schon 72-jährigen Ordensschwester, die in enger Zusammenarbeit mit Christiane P. dieses Frauenzentrum aufgebaut hat. Zur Begrüßung wird uns ein Avocado-Juice mit Schokoladensauce gereicht, ein Hochgenuss!

Ein erster Rundgang durch das Gebäude zeigt uns die vielen Möglichkeiten, die dieses Frauenzentrum bietet: Hier stehen Webstühle, Nähmaschinen, eine Lehrküche mit modernen Herden und Öfen ist vorhanden, es gibt Multifunktionsräume, die sich für die Bewirtung größerer Gruppen eignen sowie mehrere Gästezimmer.

Das Konzept, das die Ordensschwestern mit diesem Frauenzentrum verfolgen, hat sich über die Jahre entwickelt und sieht folgendermaßen aus: Schon seit 15 Jahren fahren die Schwestern wöchentlich in die entlegenen Dörfer und bieten speziell den Frauen dort kurz- oder längerfristige Weiterbildungsangebote an (Einhaltung von Hygienemaßnahmen, Familienplanung, Schulung in Ackerbau und Viehzucht, Anbau von Sojabohnen und deren Verarbeitung zu Tofu und Tempe usw.). Mit der Fertigstellung des Frauenzentrums können diese Kurse nun vor Ort in Tambolaka stattfinden. Die Idee ist, speziell junge Frauen zu motivieren, sich für ein halbes Jahr in das Frauenzentrum zu begeben bei freier Kost und Logis sowie einem Taschengeld und dafür in dieser Zeit im Kochen, Weben, Schneidern, Nähen und anderen nützlichen Fertigkeiten ausgebildet zu werden, um dann entweder als Multiplikatorinnen in die Dörfer zurück zu kehren oder aber ihr eigenes „business“ aufbauen zu können.

Zwei solcher jungen Frauen wohnen schon dort und eine dritte (Ilona) kommt täglich mit ihrer jüngsten Tochter Linda von außerhalb, um ihre Fertigkeiten im Nähen zu verbessern und sich als Witwe und Mutter von vier Kindern ein Gehalt zu verdienen. Sobald die Kurse anlaufen, soll sie als Lehrerin eingesetzt werden, um ihre Fertigkeiten an die „Neuen“ weiter zu vermitteln.

Wie dringend notwendig diese Weiterbildungsangebote für die Frauen in den entlegenen Dörfern sind, machen uns Besuche dort eindringlich klar!
Die ersten, die unsere Ankunft bemerkt haben
Oft leben in den Dörfern nur noch die Alten, die Frauen und Kinder. Die Männer haben sich Arbeit auf anderen Inseln gesucht. Die Kinder müssen lange Wege zu den Schulen zurück legen, brechen ihre schulische Laufbahn aber oft vorzeitig ab, um bei der Erntearbeit und Wasserbeschaffung zu helfen, für die oft kilometerlange Wege zur nächsten Wasserstelle zurück gelegt werden müssen. Doch ohne schulische Grundkenntnisse können keine Facharbeiter ausgebildet werden. Ohne schulische Bildung bleiben die alten Strukturen erhalten. Daher ist es so wichtig, innovative Impulse zu vermitteln, die zur Verbesserung der Lebensbedingungen führen. Die geschilderten Ausbildungsmaßnahmen für Frauen sind ein Ansatz, um Abhilfe zu schaffen.

Wir werden neugierig beäugt
Doch es ist ein langer, mühevoller Weg, die Menschen in den Dörfern für neue Ideen zu motivieren. Sie sind durch den Kampf ums Überleben und die unzureichende und einseitige Ernährung so entkräftet, dass viele lethargisch Betelnuss kauend auf den Veranden ihrer Häuser sitzen und sich dem Müßiggang hingeben.

Rote Zähne, blutroter Mund: Auch diese junge Frau hat sich schon dem Genuss der Betelnuss ergeben

Manchmal sieht man Frauen Körbe flechten oder sie beschäftigen sich mit der Herstellung eines Sarong (Technik „Ikat“). Noch vor dem Weben entsteht durch das wiederholte Abbinden und Einfärben von Fadenbündeln ein Muster, das die Mythologien, das Leben und das Denken der Menschen in den eingewebten Symbolen widerspiegelt. Die Stoffe werden zum Einwickeln der Verstorbenen und als Geschenke zur Geburt und Hochzeit verwendet. Die handgewebten Stoffe sind bei den Besuchern inzwischen aber auch begehrte Souvenirs geworden.

Der Kinderreichtum ist bemerkenswert!
Die besondere Architektur der traditionellen sumbanesischen Adat-Häuser (Rumah Adat) spiegelt anschaulich den Marapu-Glauben der Menschen wider: Im untersten Teil der aus Holz gefertigten und mit Alang-Alang Gras eingedeckten Bambusbauten leben die Tiere – was als die Unterwelt angesehen wird. Der mittlere Teil – die Mittelwelt – ist der Wohnbereich der Menschen, dort wo sie schlafen, kochen, geboren werden und meist auch sterben. Der wichtigste Teil eines Rumah Adat ist jedoch das Dach, das im oberen Teil steil empor ragt.  Es ist dies der Aufenthaltsort der Ahnen, die Oberwelt. Die gesamte Bambuskonstruktion des Hauses, wird von vier im Wasser gehärteten „Lontarstämmen“ gehalten. Am oberen Ende des Stammes der mittleren Ebene des Hauses, ist eine Ablage angebracht, auf der Ritualgegenstände aufbewahrt werden. Die in Ikat-Stoffe gewickelten Verstorbenen der Familie werden bis zur endgültigen Beisetzung im Megalithgrab über der Feuerstelle oder im Boden direkt neben dem Haus aufbewahrt. Diese „Zwischenlagerung“ kann Jahre dauern, bis die Familie genügend Opfertiere für die sich über mehrere Tage erstreckende Begräbniszeremonie beisteuern kann.















Hier befinden sich die Megalithgräber in der Mitte des Dorfes
So auch hier




















Zum Schluss unseres Aufenthaltes auf Sumba verbrachten wir zwei Tage im Cottage-Hotel des deutschen Architekten Lukas Wünsch und seiner florinesischen Frau Franziska am „Oro-Beach“ in Tambolaka. Ein idealer Ort, um an dem unberührten, weißen Sandstrand lange Spaziergänge zu unternehmen oder im gemeinsamen Gespräch die intensiven Erlebnisse der letzten drei Tage zu ordnen und zu verarbeiten.


Das Cottage-Hotel am "Oro-Beach"

Kilometerlange unberührte Strände - herrlich!

2 Kommentare:

  1. Ja, liebe Brunhild, es ist schön, deine Erzählungen jetzt noch mit Bildern ausgeschmückt zu finden. Eine sehr interessante Reise! Liebe Grüße von Heike

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