Laut - bunt - süß: Das ist Indonesien!

Mittwoch, 20. Juni 2012

Vier Tage in Banda Aceh

Wer hat sie nicht noch in Erinnerung, die Bilder nach dem verheerenden Erdbeben mit nachfolgendem Tsunami am 2. Weihnachtstag 2004 im Indischen Ozean? Eine der am schwersten betroffenen Regionen waren die West- und Nordküsten der Provinz Aceh im Norden Sumatras. Am Unglückstag des 26. Dezember verwandelten sie sich innerhalb von 20 Minuten in eine Todeszone: 130.000 Menschen wurden fortgerissen, 70.000 galten als vermisst.

Aceh sieht sich selbst als Ursprung und Heimat des Islam in Süd-Ost-Asien, datieren die islamischen Wurzeln doch bis ins 13. Jahrhundert zurück. Hier ist man stolz darauf, die islamisch strengste Provinz in ganz Indonesien zu sein. Das seit 2009 offiziell geltende Scharia-Gesetz sieht u.a. das öffentliche Auspeitschen bei Ehebruch vor. Homosexualität, Glücksspiel und der Verkauf und Konsum von Alkohol und Drogen sind verboten. Alle Muslime (Männer und Frauen) müssen sich entsprechend der islamischen Lehre kleiden und sofern sie nicht miteinander verheiratet oder verwandt sind, ist ihnen der Aufenthalt an Orten, wo Intimkontakt möglich wäre, verboten (khalwat). Diese Gesetzgebung steht dem im restlichen Indonesien vorherrschenden, gemäßigten Islam schon prägnant gegenüber.

Wie wird es sein, als westliche Frau dort aufzutreten? Welche Kleidungsstücke sind erlaubt, welche lasse ich lieber zu Hause im Schrank? Das Kofferpacken war diesmal nicht einfach, im Gegensatz zu sonstigen Destinationen in diesem tropischen Land, wo man mit wenig Stoff auf der Haut auskommt. Schließlich fanden sich doch ein paar Sachen, in denen man bei 36° C hoffentlich keinen Hitzestau erleidet.

Für Matthias war es eine Dienstreise, für mich eine weitere Gelegenheit, dieses schöne Land noch intensiver kennen zu lernen. Und wiiieee schön es dort ist! Das malerisch an einer Bucht gelegene Banda Aceh im äußersten Norden Sumatras ist aus den Trümmern des verheerenden Tsunami vom Dezember 2004 wiedererstanden. Es macht mit seinen bunten Fassaden, Shops, Büros, Restaurants und neu asphaltierten Straßen einen modernen und sauberen Eindruck. Auslagen und Werbeposter quellen über von elektronischen Geräten. Aber das dominante Reinweiß der zahlreichen neuen Moscheen signalisiert die muslimische Identität. Die Moscheen sind die reinsten Schmuckstücke und werden penibel instand gehalten.

In der Nähe von Ulee Lheue
Während Matthias im Workshop sitzt, mache ich mich selbstständig und lasse mich mit einem Taxi zu den Sehenswürdigkeiten fahren, die ich zuvor im Reiseführer ausgiebig studiert habe (Taxis sind hier bei weitem nicht so teuer wie in Deutschland).

Zuerst geht es also zum „Generator Vessel“, einem 2.600 Tonnen schweren Schiff, das vom Tsunami ca. 4 km landeinwärts geschwemmt wurde. Es ist einfach nicht zu glauben, welche Kräfte da am Werk gewesen sein müssen, um diesen Koloss auch nur einen Millimeter zu bewegen!!!


Das 2.600 t schwere Generator Vessel "Kapal PLTD Apung"
Eine weitere Attraktion ist das „Kapal di atas rumah“ (Schiff auf Wohnhaus). Es handelt sich dabei um ein Fischerboot, das auf einem Wohnhaus liegen blieb und 56 Menschen das Leben gerettet hat.

Kapal di atas rumah - Schiff auf Wohnhaus
Beim Besuch des zweitgrößten Massengrabes in Ulee Lheue kommt schon ein beklemmendes Gefühl auf: Am Rande einer wenig befahrenen Straße liegt etwas außerhalb des Stadtzentrums diese sonnenbeschienene, grasbedeckte Fläche, unter der ca. 14.800 Menschen ruhen. Ein Ort der Stille und des Innehaltens.

Massengrab in Ulee Lheue

Kuburan Dewasa = Massengrab Erwachsene
Auf der anderen Seite ruhen die Kinder
Im Hintergrund die Ruinen des früheren Krankenhauses
Weiter geht es zu einem der wunderschönen Strände, wo sich aber niemand aufhält. Es ist Mittagszeit und der Fahrer erklärt mir, dass die Menschen erst am Spätnachmittag und Abend hierher kommen, um zu entspannen. Wie weise, denn wie heißt es so schön: „Only mad dogs and English men go out in the midday sun!“ So ähnlich komme ich mir vor, denn es ist in der Hitze kaum auszuhalten!

Ist es nicht traumhaft schön an diesem Strand? Weit und breit kein Mensch zu sehen!
Natürlich besuchen wir auch die schönste Moschee in Banda Aceh, die übrigens – und das bestätigen viele Menschen – nur geringfügig vom Tsunami beschädigt wurde. Das gibt einem doch zu denken!

Die größte und schönste Moschee in Banda Aceh "Mesjid Raya Baiturrahman"
Das 2009 eröffnete Tsunami-Museum steht ebenfalls auf dem Programm. Es besticht schon von außen durch seine moderne Architektur: Es ist in Form eines Schiffes gebaut. Der Eintritt erfolgt durch einen dunklen, abwärts führenden Tunnel, an dessen Wänden Wasser herunter läuft. Er soll das Mitgerissen-Werden durch die Tsunami-Welle symbolisieren sowie die damit verbundene Angst vor der ungeheuren Naturgewalt. Unten angekommen, stehen u.a. in einem kugelförmigen Raum die Namen von unzähligen Opfern an den Wänden. Ein spiralförmiger, unebener Gang führt wieder nach oben und mündet in einen lichtdurchfluteten Raum (das Dach ist aus Glas), was das Wiederauftauchen aus der Gewalt des Tsunamis symbolisieren soll (derjenigen, die es überlebt haben). Oben an der gläsernen Decke sind die Flaggen all der Länder befestigt, die Hilfeleistungen erbracht haben. Neben der Flagge steht das in der jeweiligen Landessprache gültige Wort für „Frieden“.

Modell des Tsunami-Museums

Der "Friedenshimmel" im Tsunami-Museum

So unglaublich es klingt, aber fest steht, dass die Katastrophe mit ihren immensen Opfern auch ein Gutes hatte: Jetzt herrscht dort Frieden! Vor dem Tsunami hatte ein 30-jähriger, blutiger Bürgerkrieg getobt, der bereits 15.000 Todesopfer forderte. Es ging dabei um das Streben nach Unabhängigkeit von der indonesischen Regierung. So war das Leben vor dem Tsunami bereits 30 Jahre lang ein Inferno. Eine Studie der „Minority Rights Group“ belegt, dass schon vor der Flutkatastrophe mehr als die Hälfte der überlebenden Bevölkerung Acehs von Verschleppungen, Brandschatzungen, Folter und Vergewaltigungen schwer traumatisiert war.

Der jetzige Friedensvertrag garantiert der Provinz Aceh die politische Teilautonomie, Entscheidungsfreiheit in religiösen Angelegenheiten sowie 70 Prozent der lokalen Gas- und Öleinnahmen. Bei den kürzlich erfolgten Wahlen hat die nationalistisch-islamistische Aceh-Partei die Wahlen gewonnen. Fortan stellt sie den Gouverneur – und sie will ihren Los-von-Indonesien-Kurs forcieren. Die Waffen sind – noch – niedergelegt, aber angesichts der wachsenden religiösen Intoleranz, der fortschreitenden Islamisierung in diesem Lande sowie der Machtinteressen der Regierung fragt man sich: Wie lange noch?

Ein Bild des Friedens

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